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Bild des Benutzers Kathrin.
Verbunden: 24. November 2015 - 13:29
Soziale (und andere) Aspekte des Prismenaufbaus und der OP

Hallo Ihr Lieben,

der besseren Übersichtlichkeit halber - und weil ich glaube, dass es noch mehr Personen interessieren könnte - mache ich hier mal ein neues Thema auf, damit es nicht so in meinem Thread untergeht.
Ich würde das gerne mit Euch diskutieren und vor allem auch die Erfahrungen und Gedanken anderer Betroffener, die einen Prismenaufbau hinter (oder vor) sich haben, dazu lesen.

Ich will hier ausdrücklich keine Stimmung gegen einen Prismenaufbau und eine Operation machen - ich ziehe es ja selbst ernsthaft in Betracht. Ich will nur verdeutlichen, warum es für die betroffene Person schwierig sein kann und dass man das berücksichtigen sollte.

Wie Ihr wisst, beschäftige ich mich gerade mit dem Thema, ob ich mich wegen meiner Winkelfehlsichtigkeit (aktuell 24 Prismen Basis außen und 1,5 Höhe, Tendenz steigend) einer Operation unterziehen und vorher den dazu angeratenen Prismenaufbau durchführen soll.

Nun ist es bei mir so, dass meine Winkelfehlsichtigkeitsbeschwerden unregelmäßigen Schwankungen unterworfen sind. Manchmal kann ich wochenlang ohne jegliche Korrektion auskommen und habe nur alle paar Tage mal kurz ein geringfügiges Ziehen in der Stirn. In anderen Zeiten würde ohne Brille mein Kopf regelrecht explodieren. Zudem tendiere ich dazu (nicht immer), bei starker Müdigkeit bei Fernsicht und beim Lesen kurzzeitig doppelt zu sehen.

Darüber hinaus presse ich nachts die Zähne aufeinander und habe links einen Tinnitus und mein Nacken ist regelmäßig verspannt. Das alles wurde durch meine Prismenkorrektur aber nicht verbessert, geschweige denn behoben.

Dies will ich als Hintergrund vorausschicken.

Nun wurde mir in dem anderen Thread deutlich dazu geraten, einen Prismenaufbau zu betreiben und mich dann operieren zu lassen. Ich will mal damit anfangen, mich mit meinen Bedenken hinsichtlich einer OP auseinanderzusetzen und hätte gerne Eure Meinungen dazu.

Die Operation
Hier ist zu lesen, eine Schiel-OP sei ein relativ einfacher Eingriff. Das mag sein. Trotzdem ist eine Operation aber ein Eingriff in ein bisher intaktes körperliches System. Das Auge wird irgendwie geöffnet, der Muskel wird abgeschnitten und wieder zusammengenäht (untechnisch ausgedrückt); währenddessen braucht man eine Narkose. Selten, aber möglich sind Narkoseschäden, Wundheilungsstörungen, OP-Fehler, Doppelbilder usw.. Nach der OP ist man für mehrere Wochen außer Gefacht gesetzt. Will ich mich also "nur wegen Kopfschmerzen" aufschneiden lassen?
Ich weiß es nicht.
Für mich ist das ein bisschen wie eine Schönheitsoperation: Es ist nicht lebensnotwendig, aber man leidet vorher unter einem Zustand und man hofft, sich hinterher besser zu fühlen.
Das soll nicht abwertend klingen und ist auch nicht so gemeint, denn auch Schönheits-OP-Patienten können vorher einen großen Leidensdruck entwickeln. Aber es ist eben was anderes als eine lebenswichtige Operation oder eine Operation, ohne die man z.B. sein Bein nie wieder bewegen könnte, weil das Knie sonst versteift o.ä..
Sprich: Man hat die freie Wahl. Und mit der tue ich mich gerade schwer.

Der Prismenaufbau
So, und jetzt zum anderen schwierigen Teil. Der Prismenaufbau vor einer OP bedeutet in den meisten Fällen (so auch in meinem), dass man viele Monate lang - und wenn man realistisch ist, ggf. sogar mehrere Jahre lang - Brillen mit extrem hohen Prismenwerten trägt. Aufgrund der gewollten ständigen Steigerungen wird man teilweise Folien benutzen, wenn man das nötige Geld investiert ggf. manchmal auch neue Gläser.
Ich bin jetzt bei 24 Prismen und merke, dass die nicht mehr reichen. Vermutlich werde ich bei der nächsten Messung ein paar Prismen mehr brauchen und danach wahrscheinlich noch mehr. Realistisch betrachtet würde ich also in absehbarer Zeit mit deutlich über 30 Prismen herumlaufen. Und jetzt stellt Euch bitte mal die dazugehörige entsprechende Brille vor: Die Ränder, die bei mir jetzt schon an die 2 cm dick sind, werden dann noch erheblich dicker sein. Von vorne betrachtet werde ich komplett nach innen schielen (wobei ich wohl bemerkt ohne Brille, ohne die ich ja momentan auch tageweise auskomme, kein bisschen schiele). Oder aber ich laufe herum mit einer 2 cm dicken Brille und einer Folie auf einem Glas - was sich dann so darstellt, dass ich mit dem einen Auge leicht nach innen schiele und sich das andere hinter einer Folie befindet und komplett an der Nase klebt. In beiden Fällen werden all die, mit denen ich spreche, nicht wissen, wo ich gerade hingucke.
Ich selbst habe - bis auf eine Optikerin - noch nie jemanden mit einer solchen Brille gesehen, und ich vermute, dem übergroßen Rest der Bevölkerung geht es ähnlich. Man muss also damit rechnen, dass die Menschen, die einem begegnen, irritiert sind.
Nun mag man das noch einigermaßen geräuschlos über die Bühne bringen können, wenn man in einem Büro mit fünf Kollegen arbeitet und sonst wenig Außenkontakt hat. Dann informiert man eben seine fünf Kollegen und vielleicht seine Familie einmal und das Thema ist durch.
Es arbeiten aber nicht alle nur mit fünf Kollegen und ohne wesentliche andere Kontakte.

Hier im Forum kling immer so durch, dass das Aussehen zweitrangig sein muss, wenn es um den Prismenaufbau geht.
Ich möchte hier keine weiteren beruflichen Details bekanntgeben, nur ein paar Beispiele als Denkanstöße, wo ich eine starke Prismenbrille oder eine starke Prismenbrille mit Folie schwierig finde:

-Als Richter/in: Ich finde es schwierig, eine Verhandlung zu führen und Zeugen zu vernehmen, wenn die nicht wissen, wo der Richter/die Richterin hinguckt und ich finde es auch schwierig als Richter/in, mit dem nötigen Selbstbewusstsein aufzutreten, wenn man weiß, wie man jetzt aussieht. Ich hätte die Sorge, dass die Würde des Gerichts darunter leidet.

- Als Lehrer/in: Lästereien der Schüleinnen und Schüler sind vorprogrammiert. Manchen mag das egal sein, anderen nicht. Ansonsten siehe oben.

- Als Bundestagsabgeordnete/r: Man hält Reden im Parlament, spricht vor Ort auf Podiumsdiskussionen vor großen Gruppen unbekannter Personen, hat Besprechungen mit Mitarbeitern, macht Firmenbesuche mit Presse, spricht mit bislang unbekannten Bürgerinnen und Bürgern über deren Anliegen. Schwierig, wenn man völlig anders aussieht als sonst - und zwar ziemlich seltsam und unschön. Und schwierig, wenn niemand weiß, wohin man guckt.

Als Polizeibeamter/-in: Mal abgesehen vom Sicherheitsaspekt (Anforderungen an die Sehfähigkeit? Man wird sich ja nicht jahrelang krankschreiben lassen können), finde ich es schwierig, Gespräche mit Hilfesuchenden Bürger/innen oder auch mit Gefährdern usw. zu führen, wen niemand weiß, wohin man guckt und wenn man selbst eher hilfebedürftfig aussieht.

- Als Führungsperson: Das ist eigentlich ähnlich wie die vorherigen Berufe. Ich würde als Führungsperson nicht mit all meinen Mitarbeitern über meine gesundheitlichen Einschränkungen diskutieren wollen - ich wüsste aber, wenn ich so aussähe, dass SIE es untereinander tun. Ich hätte den Eindruck, dass der Respekt darunter leidet. Darüber hinaus fände ich es schwierig, Mitarbeitergespräche zu führen und Meetings zu leiten, wenn meine Augen komplett zur Nase gucken und niemand weiß, wen ich gerade ansehe.

- Im Vertrieb/generell im Verkauf: In vielen Branchen dürfte es den Vorgesetzten schwer zu vermitteln sein, plötzlich im direkten Kundenkontakt schielend und mit Folie auf der Brille aufzutreten. Ich glaube auch, dass es nicht unbedingt verkaufsfördernd ist. Das mag oberflächlich sein, aber so sind die Menschen. Bestimmte Produkte (die meisten) kauft man lieber von schönen Menschen, weil man unterschwellig den Eindruck hat, das Produkt sei dadurch besser. Ist Quatsch, aber das ist Verkaufspsychologie.

Mir fallen noch mehr Beispiele dazu ein, aber ich glaube, mein Text ist lang genug Wink .
Jetzt hätte ich gerne Eure Gedanken und Erfahrungen dazu.

Gibt es hier jemanden, der ähnliche Erfahrungen gemacht hat? Habt Ihr den Prismenaufbau trotzdem durchgezogen? Wie war das?

Bild des Benutzers Nerdbrille
Verbunden: 18. Juli 2012 - 19:02

Hallo Kathrin

Ich kenne deine Probleme und bin diesen, wie du das auch machst, zum Teil aus dem Weg gegangen, indem ich die Brille nur dort getragen habe, wo die Leute es wussten resp wo ich ungestört war. Hab zum Glück im Büro einen "versteckten" Platz, habe die Brille aber über den Mittag abgezogen, wollte nicht, dass die ganze Belegschaft die Panzergläser sehen. Ich musste nun wohl auch aus diesem Grund 2 Operationen machen, wohl an Stelle von einer. Ist sicher schwer zu beurteilen, weiss auch nicht ob mit einer Operation auch die riesen Seiten- (insg. 40 Pd.) und Höhenwerte (20) möglich gewesen wären. Ich kenne mich da nicht so aus und möchte drum auch nichts wirklich empfehlen. Mir zumindest hat die erste Operation sehr geholfen auch wenn sie wohl zu früh war. Vor allem konnte ich nachfolgende Korrekturen in anständigen Gläsern voll austragen. Vielleicht hätte es nachträglich bessere Möglichkeiten gegeben, aber das Tragen von 30+ Prismen hätte ich wohl nicht geschafft.. Fragen hats schon so gegeben, dei konnte ich dann ja auch erklären. Jetzt musste ich halt erklären, warum ich knallrote Augen habe, das ist aber weniger schwierig.. Ich plane selber Lehrer zu werden, könnte mir auf jeden Fall nicht vorstellen, mit solchen Klötzern zu unterrichten...

Bild des Benutzers Olimla
Verbunden: 1. September 2015 - 14:10

Ich kann aus eigener Erfahrung mit 25 Prismen + Folie sagen, dass wenn man selbstbewusst auftritt, hat man die von dir angesprochen Probleme nicht.

Um es mal ein wenig provokant zu formulieren: Du hast dich gut in die möglichen Selbstzweifel der vermeintlich Betroffenen hineingedacht, aber vielleicht eher deine auf ihre Situationen projiziert. Klar sieht das für ein paar Monate nicht perfekt aus, aber mehr ist es auch nicht. Lenke den Fokus einfach auf deine anderen Qualitäten solange. Smile

Wenn du dich stärker über dein Aussehen definierst oder generell viele Selbstzweifel hast, dann wird das natürlich für die Zeit nicht einfach für dich. Du wirst aber gerade dann gestärkt aus dieser Zeit hervorgehen und erkennen wie gut deine Mitmenschen und du selbst mit einem kleinen Makel an dir umgehen können.

Bild des Benutzers Orgelmanne
Verbunden: 21. Oktober 2015 - 17:07

Ich kann Olimla nur zustimmen und noch hinzufügen, daß Du mit allen diesen hinterfragbaren, pessimistischen Vorstellungen zu keiner Heilung Deiner Probleme kommen wirst. Du selbst mußt entscheiden, ob Du beim Lösen Deines Problems selbst mithelfen willst. Du mußt es TUN. In einer "Erholungszeit" wurde ich einst gefragt: willst Du nicht - oder kannst Du nicht?

Deine Aussage Für mich ist das ein bisschen wie eine Schönheitsoperation: Es ist nicht lebensnotwendig, aber man leidet vorher unter einem Zustand und man hofft, sich hinterher besser zu fühlen. stimmt so nicht!
Aus eigener OP-Erfahrung (vor jetzt 3 Wochen) kann ich nur sagen, es ging mir nicht nur um mich nachher besser zu fühlen, nein, sondern vor allem um wieder besser bzw. normal sehen zu können! Und der OP-Erfolg gibt mir recht. Lebensnotwendig war die OP sicher nicht, aber wie viele andere nicht lebensnotwendige, ja sogar überflüssige Dinge leisten wir uns denn sonst fast jeden Tag? Ein größeres Problem sehe ich eher in der sozialen Komponente, ob sich alle eine solche Operation leisten können. Für mich wäre auf jeden Fall die Prismenbrillenlösung teurer gekommen. Bei beiden Lösungen kann es aber später wieder zu Veränderungen kommen. Aber wenn ich nichts tue, kann es auch keine Verbesserung geben.

Bild des Benutzers Mirii
Verbunden: 21. April 2010 - 20:00

Liebe Kathrin,

vor 5 Jahren, da war ich 35 Jahre alt, bekam ich starke asthenopische Beschwerden. Die erste Messung nach MKH - nachdem ich 9 Monate bei zig ratlosen Ärzten war - ergab 25 pdpt Innenschielen. Der Doc machte sofort einen OP-Termin und nannte das unhaltbaren Zustand. Das war es für mich auch, da ich ständig stark doppelt sah. Ich freute mich sehr, dass es operabel war, denn ich wollte natürlich nicht für immer eine solch starke Prismenbrille - plus starker Myopie - tragen. DIe Brille hatte 22 pdpt und nach kurzer Zeit kamen 15 weitere per Folie dazu, aber die OP folgte schon kurz darauf, so dass ich insgesamt nur ca. 2 Monate diese Brille trug und sehr optimistisch auf die OP blickte, nach der ich wieder Kontaktlinsen tragen würde.

Es handelte sich, wie sich im Nachhinein herausstellte, um eine Einleitungs-OP. Vor 6 Tagen wurde ich erneut operiert. Diesmal wurde ein Prismenaufbau von Juni bis Februar durchgeführt. Am Ende trug ich ca. 4 Monate lang eine Brille mit 27 pdpt plus 5er Folie, dazu kam die Brillenstärke von -7,5 / -8,5 dpt. Wie ich dahinter aussah, kannst du auf dem Foto sehen, das ich am Morgen meiner OP machte (s. u.).

Du hast recht, dass sie einem optisch nicht gerade schmeichelt. Aber es war eine interessante Zeit. Ich fühlte mich enorm behindert im Alltag, weil ich eine Art "Tunnelblick" hatte und recht unscharf sah, und ich hatte dauernd das Bedürfnis, mich zu rechtfertigen für diese "Therapiebrille". Manche Menschen sprachen mich aus Neugierde auf die Brille an. Viele trauten sich sicherlich nicht, obwohl sie es gerne getan hätten. Neue Bekanntschaften zu machen, war schwer - aber nur, weil ich mich so unsicher fühlte und niemandem direkt in die Augen schauen konnte bzw. wollte. Dabei haben die Menschen durchweg positiv reagiert und entweder gesagt, dass es kaum auffalle, oder, dass es ja ein spannendes Thema sei und ich mir über die Optik mal keine Gedanken machen soll. Was ich eigentlich sagen will: Ich habe eine verletzliche Seite gezeigt, ohne es gern zu wollen. Normaler Weise bin ich eine starke, selbstbewusste Person. Und genau mit diesem Bewusstsein habe ich diese Brille getragen. Nicht zuletzt auch, weil es ein Ziel gab - nämlich die erneute Operation und die Hoffnung, das es die letzte sein wird.
Wenn du mehr über meine Erfahrungen wissen willst, schreibe mir einfach.
Die weisen Worte einer alten Frau, die ich kenne: "Wer weiß, wozu es gut ist..." Wink

LG, Miri